Ceiberweiber 8.10.2001

Abbie Conant und ihre göttliche Posaune
am 6. Oktober im Kosmos Frauenraum

Follow the mysteries of your feet! Im beinahe finsteren Raum ein goldenes Funkeln: Abbie Conants Posaune und ihr goldbesticktes Gilet glitzern im Scheinwerferlicht. Die Stimmung ist fast andächtig: Nicht nur das Lichterspiel im Metall der Posaune, auch die mystischen Synthie-klänge, zu denen Abbie Conant einmal kräftig, dann wieder zart ihr Posaunenspiel in den Soundteppich einwebt um allsbald eine neue Richtung zu vorzugeben, wirkt entrückend: sphärisch. Der Einsatz eines Solo-Blasinstruments zu elektronischen Klängen wirkt ungewohnt. Tatsächlich ist die international renommierte Musikerin mit ihrem Soloprogramm "The wired godess and her trombone" (deutsch: Die verkabelte Göttin und ihre Posaune) in viele Städte der Welt aufgebrochen, um die Erforschung neuer Klangwelten für die Posaune anzuregen.

Den Anreiz dazu soll für (vor allem junge) Komponistinnen und Komponisten die Aussicht auf die Herausgabe ihrer Partituren oder sogar die Aufnahme in das Repertoire von Abbie Conant darstellen. Conant ist schon in über 90 amerikanischen und europäischen Städten als Solokünstlerin aufgetreten. Sie hat von derzeit rund 30 Stücken für Posaune bereits 12 uraufgeführt. Abbie Conant dazu im O.Ton: "Ich wollte unbedingt eine ganz, ganz neue Welle anfangen mit der Posaune...wollte einfach, ja, Musik finden und mit alle Art Komponisten arbeiten, Studenten auch und Unbekannte auch und auch sehr Bekannte..."

Ihre Deutschkenntnisse sammelte die gebürtige Nordamerikanerin als langjähriges Mitglied der Münchener Philharmoniker. Die leidvollen Erfahrungen in diesem männerbündischen Ensemble bilden auch die Grundlage für ihr emanzipatorisches Projekt: Abbie Conant versucht auf die katastrophale Situation von Frauen in den klassischen Orchestern allerorts aufmerksam zu machen. Die Statistiken sprechen für sich: der Frauenanteil in den deutschen und österreichischen Orchestern zum Beispiel betrug 1994 nur 16%, bei den Wiener Philharmonikern sogar weniger als 1%! Seither hat sich an der Verteilung nichts verändert, die relativen Vehältnisse sind gleich geblieben. In den USA betrug der Anteil von Frauen in Orchestern 1994 immerhin 36%.

Ein Umstand, der auf die Durchsetzung einer geschlechtneutralen Wettbewerbs-Praxis zurück zu führen ist, die Abbie Conant auch für europäische Länder einfordert: In allen Runden des Probespiels sollen die BewerberInnen hinter einem Vorhang spielen. Auf diese Weise war Abbie Conant auch 1980 in das Ensemble der Münchener Philharmoniker gekommen: Sie setzte sich, wie alle übrigen BewerberInnen hinter dem Vorhang spielend, gegen 32 männliche Kandidaten durch. Dieses Verfahren kam in der Geschichte der Münchener Philharmoniker nur zwei Mal zur Anwendung. Und beide Male gewann eine Frau, während alle freien Posten danach wieder für lange Jahre ausschließlich mit Männern besetzt wurden.

Nach neun Monaten als erste Posaunistin wurde Abbie Conant von Orchesterleiter Sergiu Celibedache zurückgestuft. Conant sah keinen anderen Ausweg mehr, als zu klagen – das Verfahren wurde eines der längsten in der Geschichte des bayrischen Rechtsvollzugs. Es dauerte ganze 11 Jahre bis ihr endlich ihr ursprünglicher Posten, für den sie ja engagiert worden war, wieder zugesprochen wurde. Allerdings verlagerte sich der frauenverachtende Kampf nun auf eine andere Ebene: Drohanrufe und –briefe machten Abbie Conant das Leben schwer und sie wurde trotz des richterlichen Beschlusses immer wieder für die zweite Posaune eingeteilt.

1993, nach weiteren gewonnenen Verfahren, kündigt sie schließlich trotzdem und nimmt eine Professur in Trossingen an. Dort ist sie die erste deutsche ProfessorIN für Posaune. Seither ist sie auch mit ihrer „göttlichen Posaune“ unterwegs, die Konzertsäle mit neuen Kompositionen zu bespielen. In ihrem Repertoire vom Abend des 6. Oktober im Kosmos Frauenraum waren einige Göttinnen zu finden: "Hum 2" (2000) der Komponistin Maggie Payne ist der japanischen Göttin Tatsuta-Hime gewidmet, die sich der Legende nach jeden Herbst als Wind inkarniert. Abbie Conant spielt hier zu sieben vorproduzierten Posaunen-Tonspuren, die im "Circle Surround System" aus sieben Lautsprechern wiedergegeben werden. In Elisabeth Hoffmanns "The Elderberry Goddess" (2000) geht es um die Hollunderbeerengöttin aus einer Erzählung von Hans Christian Andersen.

Die Komponistin Hoffmann war übrigens an diesem Abend sogar anwesend und wurde von Abbie Conant auf die Bühne gebeten. Interessant kommentierte Conant im Kosmos Frauenraum auch die Geschichte des Stückes „Hysteria“(2001) von Cindy Cox: Die Komponistin sei beim Schreiben dieses Stückes schwanger geworden, was ein von dieser langgehegter Wunsch gewesen war. Eindrucksvoll war insgesamt die Kombination aus Posaune, Stimme, Geräuschen und elektronischen Klängen: So sang Abbie Conant auch zwischendurch ins Mikrophon, lachte in die Posaune.und trug Gedichte vor, wie in Chris Browns "Time Bomb", das zwei Gedichte von Minna Loy, die Posaune und interaktive Elektronik verbindet.

Ich weiss nicht, ob ich den Ausdruck, den Abbie Conant zur Beschreibung eines Stückes verwendet hat, richtig verstanden habe; er gefällt mir auf jeden Fall auch so: Floreszierender Himmelsschlampiger!

Text & Bilder: Petra Hübl

Weitere Infos:
Frauen fördern! Fordern Frauen!

http://www.osborne-conant.org
http://music.acu.edu/www/iawm/articles/feb96/buzzarte.html (international alliance for women in music)