Ceiberweiber 3.10.2001

 

Sprechende Lippen
Vagina Monologe vom Theater Herzblut im Kosmos Frauenraum

Luce Irigaray stellte in ihrem 1979 auf deutsch erschienen Buch "Das Geschlecht, das nicht eins ist" die Frage nach dem weiblichen Begehren. In ihrer Theorie beschrieb sie "die Frau" nicht nur wie Simone de Beauvoir als die notwendig "Andere", sie machte sich auch auf die Suche nach dieser verlorenen Anderen und ihrer Sexualität. Diese Andere und ihre Sexualität sind nach Irigaray in der männlichen "phallogozentristischen" Ordnung nicht repräsentierbar, sie bleibt sprachlos.

Mit roten Ohren im Kosmos Frauenraum und beschämt, dann distanziert, dann wieder begeistert höre ich zum Beispiel, wie die hoch talentierte Schauspielerin Birgit C. Krammer "das Wort zurückverlangt: Fotze". Die Andere spricht, "dort unten", am "Ort, den man nicht aufsucht"? Das erste Tabu, um das es hier geht, ist wohl das Sprechen über weibliche Sexualität überhaupt, das zweite noch größere die Vagina, als unausprechlich, weil "eklig", "fremd" und "missachtet". Um diese macht sich die amerikanische Journalistin und Autorin der "Vagina Monologe", Eve Ensler – (die übrigens auch Wahlkampfberaterin von Hillary Clinton war) Sorgen.

"Ich spreche es aus, weil ich glaube, dass wir das, was wir nicht aussprechen, auch nicht sehen, kennen oder erinnern. Was wir nicht aussprechen wird ein Geheimnis, und Geheimnisse erzeugen oft Scham, Furcht und Legenden" Das Geheimnis des "dunklen Kontinents" (Freud über "die Weiblichkeit" ) wird durch die Monologe der "nach Gesellschaft suchenden Vaginas" jedoch Göttin sei Dank nicht gelüftet werden: Da es ja ein solches nicht gibt.

Und so verkopft muss ein Besuch in der von Katrin Aissen inszenierten "One-woman show" auch nicht ablaufen, das aus folgendem einfachen Grund: Frau (und wie ich feststellte auch zahlreich mann) kommt währenddessen gar nicht zum Nachdenken. Denn erstens ist diese mit Latex-Doppelwandkonstruktion und sparsam eingesetzten Licht- und Mikrophoneffekten total spannend inszeniert, zweitens ist die auf über 200 Interviews mit Frauen allen Alters basierenden Textsammlung wirklich interessant und gut zusammengestellt.

Dabei wurden Fragen gestellt wie "Wenn deine Vagina sich anziehen würde, was würde sie tragen?" oder "Wenn deine Vagina sprechen könnte, was würde sie sagen?" Und drittens ist die Darbietung von Birgit C. Krammer sehr eindrucksvoll. Übrigens kann ich mir mit Leichtigkeit vorstellen, dass ihre schauspielerische Leistung die von Alanis Morisette, Wyona Ryder und anderen nordamerikanischen Superstars übertrifft. Diese interpretieren den Text von Eve Ensler von zeit zu Zeit vor großer Öffentlichkeit. Um sich verrucht zu geben oder der emanzipatorischen Sache wegen oder aus beiden Gründen sei dahingestellt.

Im Internet erfahren wir, dass seit dem ersten Off-Broadway-Erfolg der Monologe 1996 ein wahrer "neofeministischer Kult" ausgebrochen ist. So wird der in den USA wichtige Valentines Day zum Vagina-Day, siehe http://www.Vday.org. An hunderten Colleges werden da die Monologe aufgeführt, wobei der Erlös an feministische Organisationen wie die afghanische Frauen-Widerstandsgruppe RAWA gespendet wird.

Kein Wunder aber, dass in Medien wie dem Männerblatt Stern die Monologe als schlüpfriges Porno-Blabla missverstanden werden, siehe http://www.stern.de/kultur/theater/theaterwelt/13639_29439.htm Die Monologe wurden in 25 Sprachen übersetzt und seit der deutschen Auflage gibt es auch in der Bundesrepublik so etwas wie einen Boom. Hannelore Elsner und Katja Riemann zum Beispiel waren auch schon als V-Performerinnen tätig. Auf einer Seite über Eve Ensler des Verlages Randomhouse heisst es übrigens ganz sakrosankt, die Monologues seinen "the bible for a new generation of women". (http://www.randomhouse.com/features/ensler/nt/).

Einen ganz tollen und einfühlsamen Artikel kann frau schnell noch lesen im feministischen "Freitag"-Magazin: (http://www.freitag.de/2000/30/00301601.htm).

Camille Paglia schreibt hier: http://www.salon.com/people/col/pagl/2001/02/28/bush/index.html

Zum Abschluss möchte ich die Aufführung der Vagina Monologe vom Theater Herzblut im Kosmos Frauenraum jederfrau ans Herz legen: und das rasch, denn das Stück läuft leider nur noch bis zum Freitag dem 5. Oktober! (http://www.kosmos.frauenraum.at/veranstaltungen03_detail.asp?OZNr=726&VNr=119)

Text: Petra Hübl
Foto: Lisa Reiterer, kosmos.frauenraum