Hungerkünstler

In "Models" verkörperte Vivian Bartsch eine jener Traumfiguren, denen junge Frauen hinterherfasten. Im Theatermonolog "Fremd Körper" geht das "ex- und Anti-Model" an der Magersucht zugrunde.

Die Kriegstrommel wird nicht nur in Amerika oder Afghanistan geschlagen. manchmal tobt schon im einzelnen Menschen die tödliche Schlacht. Wie der eigene Körper zum Kriegsschauplatz werden kann, schildert der in Kärnten lebende Autor Andreas Staudinger in seinem Theatertext "Fremd Körper". Ausgangspunkt für seinen Monolog ist die Krankengeschichte der Ellen West (1890-1924), die mit Magersucht und Bulimie auf die ihr von Familie und Gesellschaft oktroyierten Frauenrollen reagierte und - nach zwei Suizidversuchen - "freiwillig" aus dem Leben schied.

Staudingers Stück, das ab 10. Oktober in einer Produktion des Projekttheaters Vorarlberg im kosmos.frauenraum gastiert, erzählt dennoch keine lineare Biografie. "es geht nicht um äußere Lebensstationen", erläutert Regisseurin Evelyn Fuchs, "sondern um innere Zustände. Man erfährt vom verzweifelten Ringen dieser Frau, die ihren eigenen Tod als Erlösung sieht, weil sie in dieser Welt nicht mehr leben kann und will. "Dem letalen Ende voraus geht ein brutaler Kampf, dem der Geist der Frau ihrem verhungernden Körper ansagt. "Der Geist sagt zum Körper: ,Du bist schlecht, du bist beschissen, du bist hässlich, niemand liebt dich´", fasst Fuchs die den Text prägende - und für Essgestörte typische- Spaltung zusammen.

Die Zerrissenheit der Frau verbildlichen auf der Bühne zwei Darstellerinnen: Den stummen Part des im Gefängnis des Bewusstseins eingesperrten Körpers gestaltet die Butoh-Tänzerin Natascha Wöß. Den dominanten Geist, der am Vergleich der perfekten Abbildungen gestylter Bodys mit dem realen Körper verzweifelt, mimt Vivian Bartsch. Die Schauspielerin kennt übrigens jene Branche, die mit der massenmedialen Produktion computermanipulierter Traumfiguren beschäftigt ist, sehr gut. Jahrelang war sie als Model für Werbespots tätig, bis sie in Ulrich Seidls Aufsehen erregt habenden Film "Models" eine unter Fress- und Brechanfällen leidende Vertreterin dieser Berufsgruppe spielte.

Einig sind sich Darstellerin und Regisseurin aber darin, dass sich "Fremd Körper" nicht in der Abhandlung von Essstörungen erschöpft. Für Vivian Bartsch, die die intensive Arbeit am streng ritualisierten Text als "Grenzerfahrung" erlebt, ist das Stück eine Zustandsbeschreibung unseres zunehmend "depressiven Zeitalters". Evelyn Fuchs wiederum erkannt in den Essstörungen ein Symptom der Geschlechterproblematik: "Fremd Körper setzt sich damit auseinander, wie das Bild des weiblichen Körpers der Fantasie des Mannes entspringt und wie einsam die Existenz von Frauen ist gegenüber den Bildern, die von ihnen gemacht werden."

ewald schreiber

Regie: Evelyn Fuchs

Darsteller: Vivian Bartsch, Natascha Wöß

Premiere: 10.10., 20.30 Uhr

Ort: kosmos.frauenraum

Karten: Tel. 523 12 26

ös 150.-/225.-