ceiberweiber.at 10.09.2001

Zur Lage der Künstlerinnen

Die Herbstsaison begann kosmos.frauenraum mit einer Pressekonferenz am 10. September. Dabei wurde die Situation der Frauen in Kunst und Kultur beleuchtet - an sich nichts Neues, aber recht eindringlich notwendig. Eingangs verglich Barbara Klein, die "Hausherrin" im kosmos, die österreichische Kulturpolitik mit Vorgaben in Sachen Gleichstellung wie die CEDAW-Konvention der UNO. Da ist nämlich von einem Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensweisen die Rede, dem die Regierung eher gegensteuert als dass sie ihn fördern würde. Frauen sind im Kulturbereich überproportional vertreten: als Ehrenamtliche, als Unterbezahlte, als Publikum. Demnach werden aktive Massnahmen gefordert, die Diskriminierung beenden sollen.

Etwa Gender Mainstreaming in Kunst und Kultur, Zahlenmaterial zu geschlechtsspezifischer Förderpolitik, Schaffung und Verbesserung von Infrastrukturen für Künstlerinnen, ausreichende Dotierung frauenspezifischer Projekte, Bevorzugung qualifizierter Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen, bewusstseinsbildende Massnahmen für Beiratsangehörige (in vielen Beiräten sitzen bereits einige Frauen, die jedoch nicht unbedingt Frauen fördern) und Gleichbehandlungsbeauftragte in Entscheidungsgremien. Kosmos.frauenraum selbst kann dank des hilfreichen Einspringens der Stadt Wien trotz Ausfall des Bundes überleben.

Allerdings besteht eine Diskrepanz von 2,5 Millionen Schilling zwischen dem heuer benötigten Geld und den Subventionen bzw. den Einnahmen. Vergleichbare Mittelbühne erhalten, rechnet Klein vor, das Drei- bis Sechsfache an Unterstützung. Im ersten Betriebsjahr gab es im Frauenraum 240 Veranstaltungen mit 14.000 BesucherInnen. Manches ist als Geldmangel nicht oder nicht besser bezahlt durchführbar. Die Choreografin Astrid Bayer schildert drastisch die Arbeitsbedingungen für Frauen in ihrem Bereich. Männliche Choreografen der ersten Generation konnten sich etablieren und bekommen immer mehr Geld. Frauen der ersten Generation werden durch (sicher auch billigere) Frauen der zweiten Generation ersetzt. Ingesamt erhalten Männer das Vierfache der für Frauen ausgegebenen Summen.

 

Da es in Österreich kein Mäzenatentum, kein Sponsoring und keine Stiftungen gibt, sind die Hauptförderer die Kunstsektion im Bundeskanzleramt und die Stadt Wien. Frauen leisten Basisarbeit im Hintergrund, denn dort sind sie erwünscht. Vorne und auf gutbezahlten Posten stehen dann Männer. Die Leistungen von Frauen werden unter vorurteilsbehaftetem Blickwinkel wahrgenommen. Durch die soziale und kulturelle Diskriminierung zählt nicht, was eine Frau kann und tut. Leider geben auch Künstlerinnen durch die permanente Demütigung, die "zu einer Demutshaltung heranwächst", Diskriminierung weiter an andere Frauen. Bayer betont auch, dass sie sich weigert, "Beiratsmitgliedern die Schultern zu massieren", Wahrnehmung "durch den Einsatz von Attraktivität zu manipulieren". Sie fordert eine Erhöhung des Topfes Tanz im Kulturbudget der Stadt Wien um 10 Millionen, welche an Frauen als Ausgleich für die bisherige Benachteiligung bei Geldern ausgeschüttet werde sollen.

Die Bildhauerin Ulrike Truger meint, ihr gehe es schon besser, aber es sei schwierig, in ihrem Metier zu existieren. Sie sei erschöpft. Als Mädchen erfuhr sie, dass sie brav sein und aus dem Weg gehen solle. Als Bildhauerin stellt sie anderen Steine in den Weg, was frau erstmal lernen müsse, da es Ungehorsam bedeutet. Ein Akt des Ungehorsams war es auch, als Reaktion auf die schwarzblaue Regierung die Statue der Wächterin ohne offizielle Genehmigung - um die freilich angesucht wurde - aufzustellen. Ebenso konnte man(n) mit der "Elisabeth" vor der Karlskirche wenig anfangen. Truger wollte die Ambivalenz einer Frau darstellen und arbeitete auf eigene Kosten ein Jahr an der Skulptur. Dann folgten eineinhalb Jahre des Kampfes um Platz im öffentlichen Raum dafür. "Denkmäler werden nicht bezahlt" war die häufige Reaktion auf Ansuchen. Frauen sollen Raum "pflegen, nicht beanspruchen". Wir müssen uns aber "wichtig machen" und Raum einfordern. Es ist auch finanziell nicht leicht, als Bildhauerin zu leben: so hat sie zwar eines der Praterateliers im Staatsbesitz, doch sowas kostet ab 7000.- Miete kalt bei hohen Heizkosten für neun Meter höhe Räume. Viele Kolleginnen in ihrem Alter hören auf, weil sie es nicht mehr schaffen.

Eva Brenner leitet seit 1998 das Projekttheater Studio, nachdem sie lange in New York tätig war. Dieses "einzige Zentrum für experimentelle Theater- und Performancearbeit in Österreich" spielt zu 90% mit Frauen, die primär an Frauentheman arbeiten. Zu den Produktionen gehören Uraufführungen österreichischer Autorinnen wie Streeruwitz, Bachmann, Reichart. Als sie wieder nach Österreich kam, dachte sie, es könne nicht so schwierig sein in einem Land mit einer der höchsten Kulturförderungen der Welt. Tatsächlich merkte sie bald, dass diese Subventionen zu mehr als 90% Hochkultur unterstützen. Stattdessen würde das Land bspw. ein Theaterlabor brauchen für Recherche, Diskurs und Dialog.

 

Wenn sie hört, dass das Theater in der Josefstadt 150 Millionen Schulden hat, fällt ihr dazu nur ein, dass das Studio damit 145 Jahre lang jedes Jahr drei Produktionen machen könnte mit 10-15 MitarbeiterInnen. Derzeit werden konstant 1,4 Millionen an Förderung gegeben und derzeit 300.000 Schilling durch SponsorInnen abgedeckt. Sie sind ein "armes" Theater im Sinne des seit einem Jahrhundert bestehenden anderen Theaters: ohne Technik, momentan auch noch ohne Lichtanlage. Brenner selbst ist die einzige fix Angestellte, die sich manchmal aus Geldgründen arbeitslos melden muss. Die SchauspielerInnen arbeiten auf Honorarbasis. Viele Einladungen nationaler und internationaler Art können aus finanziellen Gründen nicht angenommen werden.

Besondere Ignoranz sieht Brenner bei der Kunstsektion: so reagiert Staatssekretär Morak auf Schreiben nicht, antwortet aber wohl Menschen, die eine Unterschriftenliste für das Studio unterzeichnet haben. Ihnen teilt er mit, es sei nicht "förderungswürdig". Ministerialrat Dr. Koll wohnte einmal der Aufführung des Beckett-Stücks "Endspiel" bei und schlief bald ein. Bei der Publikumsdiskussion erwachte er plötzlich und meinte zu einer Schauspielerin, "was haben Sie denn für eine Figur gespielt, ich habe keine Figur gesehen, aber Sie haben doch eine Figur". Die bildende Künstlerin Romana Hagyo (Fotografie und Rauminstallationen) zitiert aus Studien zur Situation von Künstlerinnen. So spiegelt sich die Tatsache, dass 52% der Absolventen der Kunsthochschulen weiblich sind, weder bei Professuren noch in Wettbewerben wider. Da Kunst ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, soll der Staat geeignete, zumutbare Rahmenbedingungen für KünstlerInnen schaffen. Es darf nicht von der persönlichen Lage eines Individuums abhängig sein, ob es Kunst geniessen kann. Keinesfalls darf Kunst zur Privatsache weniger Privilegierter erklärt werden.

Die Politikwissenschafterin Monika Mokre ist Mitautorin der Studie "Frauen in Kunst- und Medienberufen". Darin wird festgestellt, dass die Bedingungen für Frauen so sind wie gesamtgesellschaftlich. Auch die Einteilung von Bereichen innerhalb der Kultur ist geschlechtsspezifisch: so finden wir besonders viele Frauen im Bereich Kinder und Jugend, Pädagogik, Mode und bei bestimmten Musiksparten wie Harfe (aber nur 6% Komponistinnen). Bei den Bundestheatern gibt es eine weibliche Führungskraft, während 45% der freien Gruppen von Frauen geleitet werden. Die Ergebnisse der Untersuchung sind an sich nicht überraschend, weil sie die Erfahrungsberichte bestätigen. Schockiert war Mokre aber über die vielfach fehlenden geschlechtsspezifischen Daten. Es gibt allerdings auch Gegentrends wie die Bestellungen von Bibliotheksleiterinnen, was unter anderem Verdienst einer engagierten Wissenschaftsministerin ist.

Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny als einziger männlicher Teilnehmer meinte, er wolle sich keineswegs auf den Bund ausreden. Dennoch ist es Faktum, dass vieles, was auf Bundesebene begonnen wurde, von der neuen Regierung zurückgenommen wurde. Wien kann nicht überall eingreifen und den Ausfall des Bundes bei der Kulturförderung abfedern. Kulturpolitik hat seiner Ansicht nach die Aufgabe, Freiräume und Möglichkeiten zu schaffen. Das Nichtantworten von Staatssekretär Morak hat System, denn "es geht auch mir so" (Morak war übrigens zur Pressekonferenz eingeladen, woran ein Namensschild für ihn erinnert). Eigentlich ist aber der Bundeskanzler als oberster Kulturpolitiker zuständig, wenn sein Sekretär schweigt. Schliesslich werden Anfragen im Parlament ja auch von Schüssel beantwortet.

Die Sparmassnahmen der Regierung sind sicherlich nicht in dieser Form und Höhe notwendig. Was die Maastricht-Kriterien betrifft, so müsste Kultur als eine der wenigen in staatlicher Hoheit verbliebenen Aufgaben der EU-Mitglieder davon eigentlich ausgenommen sein. Die Wiener Landesregierung wird einen Frauenkunstbericht erstellen, um eine Grundlage für Massnahmen zu haben. Mehr als 90% der Bundessubventionen, die ja vor allem an Institutionen gehen, sind nicht nach Geschlecht zuordenbar. Von den verbleibenden 8% werden 42% an Frauen ausgeschüttet. Die massive Ungleichbehandlung in der Kultur wie gesamtgesellschaftlich ist primär eine Bewusstseinsfrage. Der Stadtrat war beim Kongress der Wiener SPÖ-Frauen (siehe Bericht), wo es einige Anträge zu Kinderbetreuung gab. Warum kümmern sich eigentlich ausschliesslich Frauen darum (fragte ich mich auch...)?! Dass 98% der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren über einen Kindergartenplatz verfügen, kann ja nicht nur Sache von Frauenpolitikerinnen sein. Schliesslich könnte zum Beispiel er selbst seinen Job nicht ausüben, wenn das nicht gegeben wäre.

Österreichweit werden ca. 22 Milliarden Schilling für Kultur ausgegeben, mehr als für die Landesverteidigung (ohne neue Abfangjäger). Was 1,5 % des BIP entspricht und damit dem. was Kultur vergleichbaren Ländern wert ist. Man muss aber fordern, dass mehr Geld für Kultur vorhanden ist. Sponsoring, das Morak so gerne ins Treffen führt, kann kein Allheilmittel sein. Denn selbst unter günstigsten Bedingungen der Steuerabschreibung können so maximal 8% der Kosten lukriert werden. Wobei das die Schattenseite hat, dass es von SteuerzahlerInnen bezahlt werden muss, die nicht so reich sind, um sich derlei Steuererleichterungen leisten zu können. Beiräte sind in Wien teils sogar mehrheitlich mit Frauen besetzt. Die Alternative dazu wären eigenmächtige Entscheidungen von Ressortchef oder Bürgermeister, was auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne. Literaturpreise der Stadt gehen bereits im Verhältnis 16:6 überwiegend an Frauen. Über Quoten im Förderbereich und bei der Besetzung von Leitungsfunktionen wünscht sich Mailath-Pokorny eine Diskussion, da beides für ihn vorstellbar ist.

Text und Bilder: Alexandra Bader

Infos: http://www.kosmos.frauenraum.at