DER STANDARD, 13. November 2000
Weiblicher Widerstand
Neues
aus dem Rabenhof und dem kosmos frauen.raum
Wien
- Einst waren die "jungen Wilden" Frauen, die aus tiefstem Grunde
ihres leidvollen, weil unterdrückten Wesens Gedichte schrieben. Der einzige
Empfang, den sie ohne Umschweife von Zeit zu Zeit lustvoll herbeisehnen
durften, war postaler Natur: der Packen Papier für die Schreibarbeit.
Charlotte, Emily und Anne Bronte blieb im öden
Pfarrhaushalt ihres Vaters bloß das Dichten. Bloß! Im Alter von 30 ging es
schon dem Ende zu - "Generation Schwindsucht". Ein sorgsam
geschneidertes Leinenkleid reichte da ein Lebtag lang. Eine so kurze
Lebensstrecke auch noch so dürr verkosten zu müssen, das verlangt nach Protest.
Schwere Leinenkleider
Auf der Bühne des Rabenhofs legt Peter Knögler kühles
Licht über den Aufstand der berühmten Pfarrerstöchter im weltabgewandten
Stubenzimmer in einem weltabgewandten Dorf in Yorkshire: Die Nächte der Schwestern Bronte. Susanne Schneider hat nach
Originalzitaten, doch in neuer Sprachgebung, das Leben der Bronte-Schwestern
dramaturgisch gefasst. Rüdiger Hentzschel, Regisseur auch der
Villa-Valium-Liederabende im Rabenhof, lässt drei weiß lackierte Stühle ihre
einzigen Gefährten sein.
In deren Sitzladen halten sie ihre größten Geheimnisse
versteckt, während sie am Tafeltuch nähen oder den Speiseplan für den Besuch
des Pfarrgehilfen erstellen. Dabei schweben Margot Vuga, Monica Anna
Cammerlander und Barbara Ratheiser wie längst verlorene Engel. Ihre schweren
Leinenkleider ziehen sie von ihren träumerischen Ausflügen immer wieder hinab
auf den Boden der bitteren Tatsache: Ringsum herrscht das Patriarchat, die
Indienstnahme der Frauen. Um die scheinbare Ironie, um das Wesen dieser Revolte
hat sich die Produktion des Wiener-Cammer-Theaters bemüht: Sie verläuft indes
nicht ohne die Männer.
Kraftvolle
Typen
Im "kosmos frauen.raum" ("Die Zukunft
ist weiblich") fährt man ganz andere Geschütze auf, die man allerdings
verpulvert: Regisseurin Corinne Eckenstein und Choreographin Birgit H. Scheib
haben für ihren Cyberflug der toten
Rebellinnen Galionsfiguren des weiblichen Widerstandes geborgt: von Jeanne
d'Arc bis Janis Joplin (bei den Brontes hörte man noch Kate Bush). Das
Tanztheater präsentiert als Vorbilder (?) archaische Frauenfiguren (z. B. das
Flintenweib: die Kastrierende) ohne Kompromisse. Zu aufwühlender Musik (Joplin)
und beeindruckender Videoprojektionen schälen sich durch das jeweilige
Bewegungsrepertoire kraftvolle Typen heraus, denen zwei junge
Internet-Userinnen auf der digitalen Spur sind. Bei dieser Erkenntnis aber
macht man Halt. Es folgt ein Abend wilden Tanztheaters.
Margarete Affenzeller
Rabenhof, 3., Rabengasse, Karten: 427 00-333. 20.00
kosmos frauen.raum, 7., Siebensterngasse
42, Karten: 523 12 26. 19.30
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13. November 2000