DER STANDARD, 21. August 2000
Von Böcken und Schafen oder: Kultur ist gefährlich
Im Plan der Regierung, subventionierte
Kultureinrichtungen von Wirtschaftsprüfern evaluieren zu lassen, sieht Eva Rossmann eine Fortsetzung der
FPÖ-Linie, wonach Politiker bestimmen sollen, was Kunst ist.
Vor kurzem wurde der nächste
Schritt zur Gängelung kritischer Künstler/innen gesetzt. Kanzler Schüssel ließ
in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen wissen, dass
eine Reihe von Kultureinrichtungen mit einer "Evaluierung in
künstlerischer und wirtschaftlicher Hinsicht" zu rechnen hätte. Durchgeführt,
so stellte sich inzwischen heraus, soll sie vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen
"Alpentreuhand" werden.
Wer staatliche Förderungen bekommt, muss damit rechnen,
dass die Verwendung dieser Mittel kontrolliert wird. Das ist auch gut so. Dafür
müssen die geförderten Einrichtungen jedes Jahr alle mit den Förderungen
getätigten Ausgaben nachweisen, Belege vorlegen. Und die zuständigen
Beamt/innen prüfen dann die widmungsgemäße Verwendung der Gelder. Trauen
Schüssel, Morak und Co. ihren Beamt/innen also nicht mehr? Oder geht es darum,
Kontrolle in einem ganz anderen Sinn, nämlich im politischen Sinn, auszuüben? Es
gibt eine Reihe von Hinweisen, die auf Letzteres deutet.
Zweifelhafte
Prüfung
Ganz abgesehen davon, wie ein
Wirtschaftsprüfungsunternehmen die künstlerische Qualität von
Kultureinrichtungen feststellen sollte: Unser - theoretisch noch immer
existenter - Rechtsstaat sieht Eingriffe des Staates in Privatrechte nur in
bestimmten Fällen vor. Es ist zweifelhaft, ob eine Beratungsfirma eine
Kultureinrichtung über den Bereich der widmungsgemäßen Verwendung der
entsprechenden Subvention hinaus überhaupt prüfen darf.
"Künstelnde
Politiker"
Allerdings: Die FPÖ neigt nicht erst, seit sie an der
Regierung beteiligt ist, dazu, Kunstschaffenden ihre Qualifikation
abzusprechen. Uraltmotto: Was Kunst ist, bestimmt die Politik. Und da ist es
klug, sich pseudoobjektiver Förderungs- und Ausschluss-mechanismen zu bedienen.
Schon im März dachte FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler darüber nach,
Kultureinrichtungen zu "evaluieren", und meinte, ob es letztlich zu
Kürzungen um 30, 40 oder 50 Prozent komme, "ist unerheblich". Im
gleichen News-Interview schlägt er
wieder einmal gegen Gerhard Roth und Elfriede Jelinek aus, den Zusammenschluss
der Autor/innen bezeichnete er als "diese skurrile Vereinigung IG
Autoren", und alle zusammen hält er für "politisierende Künstler oder
künstelnde Politiker, Politruks, die bewusst gegen uns agieren".
Das Kunststaatssekretariat ist in den Händen der ÖVP,
das Kanzleramt, das nun diese Überprüfung vieler Verlage, aber eben auch der IG
Autor/ innen oder der Public Netbase in Aussicht stellt, ebenso. Man begibt
sich eben auch kulturpolitisch auf die Abwege der FPÖ. Kulturstadtrat Marboe
will das schon lange nicht mehr mittragen und wurde in seiner Partei - gelinde
gesagt - kaltgestellt. Klubobmann Khol hingegen präzisiert die neue
Subventionspolitik der Regierung in der Wiener
Kirchenzeitung mit Freude so: "Man wird die Böcke von den Schafen zu
trennen haben."
Zuerst hat man die Auszahlung vieler Förderungen
verschleppt. Dann hat man die meisten der Kulturförderungen um 20 Prozent
gekürzt. Besonders unliebsamen Einrichtungen wie den nicht-kommerziellen Radios
strich man gleich 75 Prozent des Budgets. Einzelne Künstler/ innen wurden durch
einzelne Politiker/innen diffamiert. Und jetzt startet eine gezielte Aktion der
Regierung gegen - übrigens nicht erst jetzt - gesellschaftskritisch wache
Kulturschaffende.
Sommerkomödien
Schon bisher stand unser Land im Verdacht, eher ein
Kulturmuseum als ein Land zeitgenössischer Kultur zu sein. Die künstlerische
Auseinandersetzung mit allen Facetten des Lebens wurde zugunsten von Mozart-
und Jedermann-Konserven vernachlässigt. Nun wird daran gearbeitet, auch die so
genannte Hochkultur einzuschränken - freiheitliche und volksparteiische
Politiker/innen lieben die Volkskultur. Eine Volkskultur freilich auch bloß in
ihrem Sinn: also Blasmusik und Sommerkomödienfestivals und Freiluftoperetten. Muss
Kommerz subventioniert werden? Und: Was ist das für ein Land, in dem es zwar
solche Förderungen gibt, dafür aber bald keine nichtkommerziellen
Radiostationen, immer weniger neue Literatur, kaum mehr Theateruraufführungen?
Verheerend ist, dass der ORF diesen Weg mitzugehen
scheint. So wurde die Live-Übertragung des "Zigeunerbarons" aus
Mörbisch mit den Worten "ein Höhepunkt im österreichischen
Kultursommer" angekündigt. Damit auch alle wissen, was wirklich Kultur
ist. Als Feigenblatt leistet man sich Sendungen wie Treffpunkt Kultur. Dort
darf dann auch diskutiert werden. Wer allerdings dazu eingeladen wird, steht
auf einem anderen Blatt. Vertreter/innen freier Kulturgruppen sind selten mit
dabei. Frauen wie die erfolgreiche Theaterdirektorin Emmy Werner sieht man
kaum, die Herren von Mortier bis Manker scheinen viel mehr über Kulturbelange
zu sagen zu haben.
Machos
provozieren
Jedes noch so provinzielle Sommerfestival wird
vorgestellt, dass (nicht eben zur Freude gewisser Politiker/innen) vor dem
Sommer endlich wieder ein neues Theater in Wien aufgesperrt hat, war keinen
Bericht wert. Vielleicht, weil Kosmos.Frauenraum weibliche Lebenszusammenhänge
in seinen künstlerischen Mittelpunkt stellt? Das könnte ja womöglich ein paar
Machos provozieren.
Das Gefährlichkeitspotenzial der Kultur wurde übrigens
auch vom Innenministerium bestätigt. Eine neue Verordnung zum
Sicherheitspolizeigesetz sieht vor, dass Kulturveranstaltungen pro Stunde für
die Polizeiüberwachung 350 Schilling zu zahlen haben. Für Sportveranstaltungen
beträgt dieser Stundensatz 70 Schilling. Aber was ist schon ein Fußballmatch
gegen ein Theaterstück? Was sind schon ein paar Rowdies gegen die subversive
Gefahr durch Gesellschaftskritik? Und die kann man bei Kultur ja noch immer
nicht ausschließen. Obwohl: Unsere Regierung arbeitet daran.
Eva
Rossmann ist Autorin und
Publizistin in Wien. Ihr neues Buch "Ausgejodelt" erscheint diesen
Monat.
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