Was ist los mit der Kulturpolitik in Österreich?

 

Eine Stellungnahme der Kulturpolitischen Kommission

Was ist los mit der Kulturpolitik in Österreich? Gibt es noch eine, und wenn ja, besteht sie im Zusehen in vorderster Reihe?

Drei Schreckensmeldungen kursieren seit Anfang dieser Woche durch die Medien und elektronischen Verteiler:

Radio Orange, der einzige Freie Wiener Radiosender, sperrt zu.

Kosmos.Frauenraum, das mit gewaltigen Anstrengungen nach Jahren in Betrieb gegangene multidisziplinäre Frauen-Kunst- und Kulturzentrum, sperrt zu.

Die Freie Theaterförderung in Wien sperrt nach zwei Vergaberunden vor der dritten zu. Sie sperren deshalb zu, weil kein Geld mehr da ist, sie sperren deshalb zu, weil keine Gesprächssituation mehr da ist und sie sperren deshalb zu, weil es außer der politischen Performance offenbar kein kulturpolitisches Anliegen mehr gibt.

Sie sperren zu, weil sie öffentliche und keine kommerziellen Anliegen haben, sie sperren zu, weil es für Sponsoren (richtiger: werbende Firmen) vollkommen uninteressant ist, wenn jemand in einer Vorstellung einer anderen Bühne als der eines Staatstheaters die Biermarke eines Sponsors trinkt und sie sperren zu, weil das weniger gewordene Geld in Großprojekte investiert werden muß, die in der Marktwirtschaft ebenfalls nicht genügend finanziellen Rückhalt finden.

Und sie sperren vor allem zu, weil die Vorstellungen von über einen tagesaktuellen Anlaß oder einen einzelnen Anlaßfall hinausgehende Überlegungen und Zielsetzungen fehlen, weil es nur mehr einen vollkommen desolaten Begriff von öffentlichen Aufgabenstellungen gibt und weil es niemanden mehr zu geben scheint, der imstande ist, die Kleinstbudgets der Kunstförderungen in Österreich gegen Kürzungen zu verteidigen und vor Zweckumwidmungen zu schützen.

Die Kulturpolitische Kommission unterstützt Radio Orange in allen seinen Anliegen, den Kosmos Frauenraum in allen seinen Anliegen und die Freie Wiener Theaterszene in allen ihren Anliegen. Mehr noch, die Kulturpolitische Kommission fordert umgehend konstruktive und dauerhafte Lösungen für diese Einrichtungen ein. Keine in der Kulturpolitischen Kommission vertretene Kunstsparte und kein Verband der Kulturpolitischen Kommission fühlt sich gerettet, nur weil es sie bzw. ihn diesmal nicht trifft oder weil es sie oder ihn nicht noch einmal trifft oder weil es sie oder ihn gar nicht treffen kann, weil Förderungen sowieso nicht vorgesehen sind.

Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren,

Brigitte Rapp/Werner Richter, Übersetzergemeinschaft,

Gabi Gerbasits/Gerald Raunig, IG Kultur Österreich,

Jörg Stelling, VOICE - Verein der Sprecher und Darsteller,

Markus Lidauer, SKE + SFM,

Sebastian Weissenbacher/Daniela Koweindl, IG Bildende Kunst,

Thomas Turner, Verband Freie Radios,

Maria Anna Kollmann/Zuzana Brejcha, Dachverband der Filmschaffenden,

Barbara Stüwe-Essl/Juliane Alton, IG Freie Theaterarbeit,

Martin Wassermair, konsortium.Netz.kultur,

Peter Paul Skrepek, Musikergilde

Barbara Klein und Mitarbeiterinnen, kosmos.frauenraum